TherapeutInnen und Social-Media-Marketing (mit Carina Adamek-Nistl)

Lesedauer: 11:15 Minuten
TherapeutInnen und Social-Media-Marketing (mit Carina Adamek-Nistl)

Wie Social-Media eine echte Wonne wird

Von Algorithmus bis Zielstrategie – Carina Adamek-Nistl ist Profi, wenn es um das Alphabet von Social Media geht. Sie hat einen Master in Content Strategy von der FH Joanneum und mehr als zehn Jahre Erfahrung als PR Consultant und Content Strategin. Seit 2022 ist sie selbstständig als Geschäftsführerin der Wonne Digital Agentur tätig.

Im Gespräch mit Adela von appointmed spricht sie darüber, wie man auch als kleines Unternehmen mit wenig Budget und Zeitressourcen sinnvolles Social-Media-Marketing betreiben kann, warum Content immer eine persönliche Note haben sollte und was Social Media mit Zahnseide zu tun hat.

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Hallo Carina! Schön, dass du heute bei uns zu Gast bist. Stell dich unseren LeserInnen doch kurz vor.

Mein Name ist Carina Adamek-Nistl, ich bin Co-Gründerin und Geschäftsführerin der Wonne Digital Agentur. Unsere Agentur gibt es seit ca. zwei Jahren und wir sind spezialisiert auf die Themen Social Media, vor allem Content-Strategie, Content-Produktion und Content-Marketing. Genau in diesem Bereich habe ich auch vor der Gründung sowohl in Agenturen als auch auf Unternehmensseite gearbeitet.

Wir freuen uns, dass Du unseren LeserInnen Dein Wissen aus langjähriger Erfahrung weitergibst. Viele fragen sich, ob sich Social-Media-Marketing für sie überhaupt lohnt. Was sind Deine Tipps?

Ganz, ganz wichtig ist, dass man es nicht einfach macht, weil es alle machen. Social Media sollte immer einen gewissen Sinn und Zweck erfüllen.

Nur dann wird es bei den NutzerInnen gut oder überhaupt ankommen. Einfach ohne Hintergedanken oder Plan Dinge zu posten, halte ich für wenig sinnvoll. Ich denke aber, dass sich Social-Media-Marketing auch für eine kleine Praxis lohnen kann, wenn man die Accounts nachhaltig, stetig und konsistent betreut.

Ich habe kürzlich einen Workshop gegeben und eine Kundin meinte: „Naja, Social-Media-Content-Erstellung ist so wie Zahnseide verwenden.“ Das fand ich ein sehr gutes Bild. Es ist etwas, was man leicht ‚mal vergisst oder sich denkt, heute nicht. Aber wenn man kontinuierlich damit arbeitet, erzielt man mitunter erstaunliche Ergebnisse. Mit Social Media ist es genauso.

Es geht darum, dranzubleiben. Wenn man ganz neu damit beginnt, sollte man sich zunächst überlegen: Welche Formate passen zu mir? Auf welchen Kanälen und Plattformen sind meine KundInnen unterwegs? Sind sie zB eher auf Instagram oder TikTok? Man sollte von Beginn an versuchen einzugrenzen, wen man ansprechen möchte und sich ansehen, wo sich diese Personen bevorzugt im Social Web aufhalten.

Nehmen wir an, ich habe meinen Praxisnamen, meine Räumlichkeiten und die ersten KundInnen und starte nun ganz neu im Bereich Social Media durch. Was sollten deiner Meinung nach die ersten Schritte sein?

Ich würde mit einer Konkurrenz- bzw. MitbewerberInnen-Recherche beginnen. Man lernt irrsinnig viel, indem man sich ansieht, wie es die anderen machen und was einem gut gefällt. Das kann man sich auf der einen Seite in der eigenen Branche ansehen. Wie präsentieren andere TherapeutInnen ihren Content? Wie sprechen sie zu den KlientInnen? Das ist nämlich eine ganz wichtige Entscheidung: Die eigene Tonalität. Es gilt herauszufinden, wie man sich kategorisieren will. Was passt zu mir, meiner Brand und meiner Praxis? Was passt definitiv nicht zu mir?

Auf der anderen Seite sollte man sich auch Beispiele außerhalb der eigenen Bubble ansehen. Am besten sucht man sich drei, vier internationale Beispiele aus ganz unterschiedlichen Branchen aus und definiert: Warum ist das für mich ein Best-Practice-Beispiel? Um eine eigene Benchmark zu kreieren, ein eigenes Set an Dingen zu definieren, die man mit dem eigenen Social-Media-Kanal erreichen möchte. Das ist der erste Schritt.

Der zweite sind die infrastrukturellen Arbeiten, die ich vorhin schon erwähnt habe: Welche Kanäle gibt es? Auf welchen halten sich meine KundInnen vorwiegend auf? Welcher Kanal macht für mich Sinn? Das kann man zunächst recherchieren, indem man mit den KundInnen ins Gespräch kommt. Einfach mal das Gespräch in diese Richtung suchen und sich Feedback dazu holen. Verwendest Du Social Media? Auf welchen Kanälen bist Du aktiv? Was würde Dich dort interessieren? Es gibt aber auch irrsinnig viele Nutzerdaten dazu.

Man kann also recherchieren, wie zB die Altersstruktur auf Instagram ist, in meinem Bereich, welche Themen relevant sind usw.

Im nächsten Schritt – das gehört auch zur Infrastruktur – geht man her und erstellt Visual Guidelines. Es gibt vermutlich schon ein Logo und darin bestimmte Farben. Man überlegt sich also, wie diese Farben oder Farbakzente auf Social Media eingesetzt werden können. Welche Schriftart verwendet man?

Dann legt man die Formate fest. Da macht es Sinn, sich fünf bis sieben unterschiedliche Templates zu überlegen, zB ein FAQ-Template, ein Tipps-Template oder ein lustiges Image-Post-Template. Man entscheidet dann erst in der Content-Produktion, welche Templates man wann verwendet, und hat dafür ein fixes Set an unterschiedlichen Grafiken zur Verfügung, die immer wieder zum Einsatz kommen.

Im Zuge dessen legt man dann noch – wie schon kurz erwähnt – fest, wie die eigene tone of voice“ sein soll. Will man eher informell oder formell klingen? Spricht man die UserInnen per Du oder per Sie an? Spricht man auf Englisch? Verwendet man Emojis und/oder Hashtags? Das sind alles wichtige Komponenten, die man am Anfang definieren sollte.

Warum ist ein konsistentes Auftreten im Social-Media-Bereich Deiner Meinung nach wichtig?

Darauf gibt es mehrere Antworten. Erstens ist es im Sinne des Algorithmus besser, kontinuierlich Content zu liefern. Als Unternehmensseite, aber auch als Person wird man in Bezug auf die Performance-Kennzahlen besser bewertet, wenn man regelmäßig Content produziert.

Es gibt eine Empfehlung, fünf Mal die Woche zu posten, ich weiß aber, dass das nicht realistisch machbar ist.

Zwei bis drei Mal pro Woche mit Content aktiv zu sein, ist das Optimum. Das ist auch das, was ich meinen KundInnen empfehle. Zweitens versucht man sich ja eine Community aufzubauen und dann geht es sehr stark darum, dieser Community regelmäßig einen gewissen Mehrwert zu bieten. Da geht es aus meiner Sicht sehr stark darum, Vertrauen aufzubauen, zu vertiefen und regelmäßig Mehrwert anzubieten. Ich denke, wenn das alles gegeben ist, dann steht einer guten Performance auf Social Media nichts im Wege.

Vertrauen ist im Gesundheitsbereich ein großes Thema. Wenn sich PatientInnen nach neuen TherapeutInnen umsehen, möchten sie auf Anhieb erkennen, dass Expertise vorhanden ist und sie hier gut aufgehoben sind. Mit welchem Content kann ich das am besten erreichen?

Ich glaube, in diesen Fällen geht es stark um die Person und um die Art und Weise, wie persönlich auf Social Media kommuniziert wird. Vertrauen baut man über Menschlichkeit und die eigene Expertise auf. Ich denke also, da braucht es eine Strategie, die Expertise mit Persönlichkeit verbindet.

Ich kann beispielsweise über ein spezielles Thema sprechen, mit dem ich mich sehr gut auskenne und dann darauf hinweisen, dass ich die folgenden drei neuen Erkenntnisse zu Thema XY kürzlich auf einem Kongress erfahren habe und dann eins, zwei, drei aufzählen.

Das Allerwichtigste sind Werte und Überzeugungen. Werte können sehr stark über Persönlichkeiten übertragen werden. Besser als einfach einen Slide-Post mit Text auf Hintergrund zu posten ist es, ein Gesicht zu zeigen und vielleicht eine persönliche Note dazu zu geben, indem man beispielsweise ein kurzes Voice-Over einspricht. Sprich, ein kurzer Off-Text, eine Art Moderation zu einem Post.

Jeder Post, bei dem man es schafft, eine persönliche Note und ein bisschen Menschlichkeit reinzubringen, wird meiner Überzeugung nach besser performen und dazu beitragen, dass Vertrauen aufgebaut werden kann.

Was sollte man bei Social-Media-Marketing im Gesundheitsbereich noch beachten?

Ad hoc fällt mir ein, dass es ein paar Regelungen gibt, was Social-Media-Ads betrifft. Man unterscheidet ja immer zwischen organischem und bezahltem Content. Organischer Content ist jener, den man einfach online stellen kann. Bezahlter Content ist jegliche Werbung auf Social-Media, also Beiträge, bei denen ein Budget hinterlegt ist.

Im Werbebereich gibt es bei Gesundheitsthemen inhaltlich einige Einschränkungen.

Gesundheitsrelevante Informationen müssen sensibel und möglichst neutral kommuniziert werden. Wenn ich zB für einen Hustensaft werbe, darf ich nicht sagen: „Sie haben Husten? Wir haben das perfekte Produkt für Sie!“ Die genauen Vorgaben stehen in den Werberichtlinien. Wenn man doch mal eine Ad schaltet, wo man in dieser Richtung etwas falsch gemacht hat, ist das allerdings auch nicht schlimm. Meta (Facebook und Instagram) wird sich dann melden, die Ad sperren oder anmerken: „Achtung, da muss etwas verändert werden“. Dann passt man es textlich an und fertig.

Diese Richtlinien sind natürlich wichtig. Sonst würden wohl viele auf Social-Media irreführende Behauptungen machen.

Genau, gerade im Gesundheitsbereich ist das ein sehr wichtiger Aspekt. In diesem Bereich ist Professionalität besonders wichtig. Ich als Millennial – und ich denke, Angehörige der Gen-Z sogar noch mehr – schauen immer:

Wie sieht die Instagram-Seite einer Person oder eines Unternehmens aus? Was macht diese Person online?

Das Online-Auftreten ist für viele Menschen ein Argument, jemanden zu wählen oder eben nicht. Wenn es eine Instagram-Seite gibt, die nett aufgebaut ist, ein gutes Branding hat, mich anspricht und interessant wirkt, dann macht das die Person, die dahinter steht, für mich sympathischer und ich buche viel eher einen Termin bei ihr.

Zum Thema Mental Health gibt es auf Instagram und TikTok aktuell unglaublich viel Content. Vieles davon wird aber eben nicht von ExpertInnen gemacht. Es steht also viel unkommentierter Content auf diesen Plattformen und wenn man sich vier, fünf TikTok-Videos angeschaut hat, diagnostiziert man sich selbst mit drei verschiedenen Krankheiten.

Hier gibt es noch einen großen Bereich, in dem sich ExpertInnen positionieren und wirkliche Aufklärungsarbeit leisten können.

Mental Health ist ein riesiges Feld. Da gibt es ein großes Bedürfnis nach Informationen. Das ist also ein Bereich, in dem man auf Erklär-Videos setzen sollte. Weg vom Zeigen der eigenen Praxis und vom Gewinnen neuer KlientInnen, hin zu einem „educational format„.

Hier kann ich unterschiedliche Themen aufgreifen, die gerade im Trend liegen, also oft auf Social Media gesucht werden. Dann nehme ich mit meiner fachlichen Meinung dazu Stellung, beleuchte, warum darüber gerade so viel gesprochen wird, was der wissenschaftliche Hintergrund ist, berichte von meinen Erfahrungen. Man sollte nicht oberflächlich kommunizieren, sondern informativ in die Tiefe gehen.

Selbstständige TherapeutInnen müssen sich im Alltag um viele Themen alleine kümmern. Da stellt sich die Frage: Kann man Social-Media einfach nebenbei betreiben und bringt das dann überhaupt etwas?

Das kenne ich auch von mir selbst. Wenn man KundInnen hat und den vollen Fokus auf die Dienstleistung legt, dann bleibt der eigene Social-Media-Auftritt oft auf der Strecke.

Die Content-Gestaltung muss wirklich in den Arbeitsalltag integriert werden. Ich empfehle, regelmäßig Ressourcen dafür zu reservieren.

Wenn man die Content-Arbeit immer nur im Bus oder auf dem Weg zum nächsten Termin macht, dann fehlt der nötige Fokus. Ich kenne jemanden, der bei einer Versicherung arbeitet, die vor allem auf Online-Vertrieb ausgerichtet ist. Ich erhalte seinen Newsletter, in dem er wöchentlich einen richtig ausführlichen Artikel präsentiert. Ich habe ihn gefragt, wie er das handhabt, da sein Hauptaufgabenbereich ja Beratungsgespräche und der Verkauf von Versicherungen ist. Er meinte, er setzt sich jeden Morgen konsequent 20 bis 30 Minuten hin, um an seinen Artikeln zu schreiben.

Das fand ich bewundernswert, denn es erfordert Disziplin sich täglich eine halbe Stunde aufs Texten zu konzentrieren. Das ist der Idealfall, muss aber gar nicht sein. Wenn man sich eine, vielleicht zwei Stunden pro Woche freischaufeln kann, dann ist das schon richtig gut.

Social-Media kann für TherapeutInnen ein Tool sein, das Unternehmen am Laufen zu halten, die Sichtbarkeit zu erhöhen und Kommunikation mit PatientInnen zu betreiben.

Genau! Wenn ich zB ohnehin schon komplett ausgelastet bin und keine neuen PatientInnen aufnehmen kann, dann brauche ich auch keine Kommunikation in diese Richtung betreiben. Ich kann mich dann eher auf Expertise-Themen fokussieren. Man kann den Content, die Themen, die Intensität immer an die eigene Situation anpassen.

Angenommen, ich möchte mir als Therapeutin Hilfe von Social-Media ExpertInnen holen. Worauf kommt es bei der Wahl der richtigen Agentur bzw. der richtigen ExpertInnen an?

Die Chemie muss stimmen. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste.

Man muss einander verstehen, die Bedürfnisse erkennen und es muss allen klar sein, wo die Reise hingehen soll. Es sollte nicht so sein, dass man sich eine fancy Werbekampagne aufs Auge drücken lässt, die man gar nicht haben will, und stattdessen eigentlich nur Expertise zeigen möchte. Wenn das Verständnis nicht passt, würde ich mit der Agentur nicht arbeiten, denn das wird sich auch nicht ändern.

Generell stellt sich die Frage, wo man eine gute Agentur findet. Vor allem als kleines Unternehmen, als kleine Praxis denkt man sich vielleicht: „Boah, Agentur! Das sind immer solche Apparate, die vor allem teuer sind.“ Da würde ich gerne den Tipp geben, dass es auch abgespeckte Betreuungsvarianten gibt.

Wir machen mit unseren KundInnen zB Workshops, wo wir uns gemeinsam die strategische Richtung ansehen. Oder wir bringen ihnen bei, wie man mit Canva und mit Templates arbeitet. Das heißt, es gibt diese Auftakt-Meetings, wo man all das gemeinsam erarbeitet. In manchen Fällen erstellen auch wir die Templates oder machen Vorschläge.

Dann gibt es noch einen gemeinsamen Termin, wo man mit den KundInnen durchgeht, wie die Templates zu Content werden sollen. Wir versuchen unser Wissen weiterzugeben und zeigen: Hey, es ist eigentlich ganz simpel. Damit kann jede Person, die halbwegs internetaffin ist, schon einmal Basis-Content erstellen.

Man muss also nicht immer gleich das große Package kaufen, sondern kann von Agenturen auch punktuell Leistungen beziehen, sich Input holen, wenn es relevant ist. Ich glaube, das ist eine sehr konstruktive Sache.

Bevor man also auf Agentursuche geht, sollte man sich fragen: „Was will ich von der Agentur?“

Wie und wie oft soll sie mich unterstützen? Welche technischen Fähigkeiten soll sie mitbringen? Es sollte dabei wirklich ein genaues Briefing herauskommen: „Ich hätte gerne X, Y und Z und deshalb suche ich nach Agenturen, die eine gewisse Größe haben und diese und jene Dienstleistung anbieten.“

Kannst du nochmal zusammenfassen, was Wonne – eure Social-Media- und Digital-Agentur – konkret anbietet und wie man euch findet?

Sehr gerne. Unsere Agentur hat drei Säulen. Die erste ist die Content-Strategie, also die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie für alle Online-Kanäle. Das zweite ist das Thema Content-Marketing, also die Frage, wo man wie Content bewerben kann. Dabei handelt es sich um Google Ads, Meta Ads, LinkedIn Ads, usw. Die dritte Säule ist die Content-Produktion. Wir produzieren richtig viele Social-Media-Posts, Texte für Webseiten, Blogbeiträge, Newsletter-Beiträge bei uns im Haus. Man findet uns unter wonne.at, aber auch auf Instagram.

Wenn wir unser ganzes bisheriges Gespräch vergessen: Welchen einen, einzigen Tipp würdest Du TherapeutInnen in Bezug auf Social-Media-Marketing mit auf den Weg geben?

Ins kalte Wasser zu springen und ins Tun zu kommen. Einfach einmal beginnen, ausprobieren und dann dranbleiben.

Wenn wir nochmal das Bild von der Zahnseide vom Beginn verwenden möchten: Wöchentlich posten, regelmäßig dran denken und versuchen, die eigenen Konten weiterzubringen. Das wäre wohl der wichtigste Tipp, den ich mitgeben kann.

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