Hinter den Kulissen: „Schreib’s auf, wir brauchen kein Meeting!“
Eine meiner Hauptaufgaben bei appointmed ist es, nicht nur das Produkt zu verbessern, sondern auch laufend unsere internen Arbeitsabläufe kritisch zu hinterfragen und zu verfeinern. Es geht nicht mehr nur darum, ein großartiges Produkt zu entwickeln – ich bin mittlerweile der Meinung, dass das Unternehmen selbst das wichtigste Produkt ist.
Über die Jahre haben wir verschiedenste Workflows und Arbeitsabläufe ausprobiert. Von klassischem Scrum, das in den meisten IT-Unternehmen angewendet wird, über Kanban bis hin zu merkwürdigen Mischungen aus allen möglichen Inspirationsquellen. Doch nichts hat die Bedürfnisse unseres kleinen Remote-Teams wirklich erfüllt.
Es ist nicht gut, nur weil es alle machen.
Vor etwas mehr als einem Jahr traten zahlreiche Probleme in unserem bestehenden Entwicklungsprozess auf. Das hat sich nicht nur negativ auf unsere Produktivität ausgewirkt, sondern auch für eine angespannte Stimmung im Team gesorgt. Ich musste der Sache also auf den Grund gehen!
Diesmal – anstatt Inspiration von anderen Unternehmen zu holen – habe ich mehrere Wochen damit verbracht, alle unsere bisherigen Abläufe zu analysieren und versucht herauszufinden, was für uns über die Jahre funktioniert und was nicht.
Während die Erklärung des gesamten Workflows den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, hat sich ein Problem als Dominant herausgestellt: Kurzschlussreaktionen.
Meetings sind der perfekte Ort für Kurzschlussreaktionen.
Jemand präsentiert zB die Idee für eine neue Funktion. Das gesamte Team hört aufmerksam zu, es entsteht eine kurze Diskussion und verschiedene Szenarien werden debattiert. Es fühlt sich produktiv an und erweckt den Anschein, dass man wirklich produktiv war. Man klopft sich auf die Schulter: „Gutes Meeting!“. Doch das ist in den meisten Fällen ein Irrglaube.
Meetings sind für Produktentscheidungen einfach der falsche Platz.
Das Team hört die Idee oftmals zum ersten Mal und hat oft nur wenige Minuten Zeit, den Inhalt zu verstehen. Im Idealfall werden ein paar (oberflächliche) Fragen gestellt, um die offensichtlichsten Unklarheiten zu beseitigen.
Kann man aber realistisch erwarten, dass jede/-r das Gesamtbild und alle Implikationen in dieser kurzen Zeit verstanden hat? Schließlich gibt es in diesem Rahmen keine Möglichkeit, über das Thema in Ruhe nachzudenken, Arbeitsabläufe im Kopf durchzuspielen oder Ad-hoc-Lösungen für technische Hürden zu finden.
Meetings neigen also dazu, schnelle Reaktionen anstelle von wohlüberlegten Entscheidungen zu bevorzugen. Das beeinträchtigt nicht nur die Qualität des Feedbacks an sich, sondern auch den gesamten Entscheidungsprozess.
Den Weg zum Erfolg beschreiben.
Unsere Lösung für das Problem: Alle Ideen werden schriftlich präsentiert – wir nennen das einen „Pitch“.
Er enthält, warum dies eine großartige Idee ist (oder ein Problem, das gelöst werden muss), frühe Konzepte, wie es im Kontext des Produkts funktionieren könnte, technische Überlegungen und damit verbundene Risiken. Der Pitch ist auch gleichzeitig der Ort, um Feedback zu geben und alle Gedanken und Bedenken aufzuschreiben. Wir nutzen Basecamp, um (fast) unser ganzes Unternehmen zu verwalten
Im Gegensatz zu Meetings schafft die schriftliche Form von Ideen den notwendigen Raum, um intensiv über die Idee nachzudenken, eigene Ergänzungen zu formulieren und diese dann ebenfalls im Kontext des Pitchs schriftlich festzuhalten. Das führt nicht nur zu einer viel wertvolleren Diskussion, sondern verhindert auch den Druck, spontane Antworten auf wichtige Fragen während einer traditionellen Präsentation geben zu müssen.
“A good writer doesn’t just think, and then write down what he thought, as a sort of transcript. A good writer will almost always discover new things in the process of writing. Many things can be done by tools that write for you, but they won’t help you learn to think, understand deeper, or solve hard problems.”
– Paul Graham
Unser Leitsatz: Lies es einmal, zweimal oder sogar fünfmal!
Lass es eine Weile sickern. Schlaf drüber. Nimm Dir Zeit, um Deine Gedanken zu sammeln und zu sortieren. Was wir erreichen wollen, ist durchdachtes Feedback, keine spontanen Schnellschuss-Reaktionen. Das verbessert letztendlich die Qualität von allem, was wir liefern.
Und vielleicht stimmst Du mir am Ende zu, dass sich das alles nicht in einer 60-minütigen Besprechung bewerkstelligen lässt.