Selbstständige TherapeutInnen und Steuern – mit Karl Rosam
Rundum bestens beraten in Sachen Steuern – das steckt bereits im Namen der Steuerberatungskanzlei „TAX360°“ von Steuerberater Karl Rosam. Rund 50 MitarbeiterInnen betreuen von Wien aus 400 bis 500 KlientInnen, darunter auch einige TherapeutInnen und zahlreiche KleinunternehmerInnen. Im Gespräch erzählt er von den wichtigsten steuerrechtlichen Themen auf dem Weg in die Selbstständigkeit, was man beim Anmieten von Räumlichkeiten beachten sollte und warum ein wenig Gelassenheit auch in Steuerangelegenheiten geboten ist.
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Was muss man steuerrechtlich beachten, wenn man sich als TherapeutIn selbstständig macht?
Karl: Es ist wichtig, sich im Vorhinein mit dem Thema Umsatzsteuerpflicht auseinanderzusetzen, sprich, ob man umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Rechtsform. Möchte ich als EinzelunternehmerIn starten oder mit anderen TherapeutInnen zusammen eine Gruppenpraxis gründen. Was auch nicht zu vernachlässigen ist, sind die Praxisräumlichkeiten. Wenn ich Räumlichkeiten anmiete, ist es zB wichtig zu wissen, ob diese mit Untersteuer vermietet werden. Diese drei Punkte sollte man sich im Vorfeld der Selbstständigkeit gut ansehen.
Geht es bei den Überlegungen rund um die Umsatzsteuer nur um die Obergrenze?
Karl: Ich würde zuerst überlegen, in welchem Bereich ich tätig bin. Arbeite ich im Gesundheitsbereich, übe also hauptsächlich Tätigkeiten aus, die der Heilbehandlung zuzurechnen sind, bin ich in der Regel von der Umsatzsteuer befreit.
Wenn ich aber zB MasseurIn bin, also einer Tätigkeit nachgehe, die nicht medizinisch indiziert ist, dann bin ich bis zu einem Umsatz von 35.000 € [Stand: 2024] von der Umsatzsteuer befreit. Ich kann hinausoptieren und freiwillig Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Diese Vorgangsweise würde ich aber bei TherapeutInnen nicht empfehlen. Es zahlt sich nur aus, wenn man hauptsächlich UnternehmerInnen als KundInnen hat, die die Umsatzsteuer wieder abziehen können. Das kann für TherapeutInnen der Fall sein, wenn sie hauptsächlich für Betriebe arbeiten, also beispielsweise Trainings- und Sportveranstaltungen für Unternehmen durchführen.
In Bezug auf die Obergrenze bei der Umsatzsteuer ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich dabei um eine Netto-Grenze handelt. Es sind also eigentlich 42.000 € [Stand: 2024] und einmal in fünf Jahren darf man zusätzlich nochmals 15 % über diese Grenze gehen.
Patrik: Ein Thema, mit dem wir uns in diesem Zusammenhang oft im Support auseinandersetzen, ist, dass sehr viele DienstleisterInnen umsatzsteuerbefreit sind, was aber nicht heißt, dass sie selbst keine Umsatzsteuer zahlen müssen.
Karl: Richtig, es gibt ganz spezielle Fälle, wenn man Leistungen aus dem Ausland bezieht, also zB wenn die eigene Website von einer Firma in Deutschland gewartet wird. In diesem Fall sagt das Umsatzsteuerrecht, dass UnternehmerInnen ohne Umsatzsteuer, sobald sie LeistungsempfängerInnen sind, die Umsatzsteuer schulden. Das hat den Grund, dass das ausländische Unternehmen keine Betriebsstätte in Österreich hat. Um den Aufwand zu vermeiden, die ausländische Firma in Österreich zu registrieren, schuldet dann einfach die/der LeistungsempfängerIn, also in diesem Fall die/der umsatzsteuerbefreite TherapeutIn, die Umsatzsteuer.
Patrik: Uns geht es natürlich auch oft so. Wir arbeiten in verschiedenen Konstellationen und unterschiedlichen Ländern, bei denen eben auch verschiedene Steuersätze gelten. Wir weisen unsere Preise netto aus und dann kommt oft die Nachfrage:
„Ich bin doch umsatzsteuerbefreit, wieso muss ich beim appointmed-Preis trotzdem Steuer zahlen?“
Aber die Steuer trifft, wie Du eben beschrieben hast, uns und nicht den Kunden.
Karl: Genau, wenn es ein Österreich-Österreich-Fall ist, dann ist die österreichische USt. fällig. Ein Beispiel: Wenn sich der/die TherapeutIn im Papiergeschäft einen Radiergummi kauft, dann sind da 20 % USt. darauf. Wenn eine Therapeutin in Deutschland eure Kundin ist, dann muss sie für die appointmed-Lizenz die deutsche Umsatzsteuer in Höhe von 19 % abführen.
Patrik: Wir sind zwar ein Softwareanbieter, aber bekommen im Zuge unseres Supports natürlich auch immer wieder Fragen gestellt, die nichts mit der Software zu tun haben. Eine Frage, die wir oft hören, betrifft Praxisübernahmen und Neugründungen. Die steuerrechtlichen Informationen hierzu sind leider online kaum zu finden und deshalb wenden sich viele an uns.
Hast Du Tipps für die Übernahme oder Neugründung einer Praxis?
Karl: Wenn man neu anfängt, wird man meist bei den Sozialversicherungsbeiträgen und der Einkommensvorauszahlung sehr gering eingestuft oder muss sogar gar nichts zahlen. Wenn die Tätigkeit dann Fahrt aufnimmt, muss man relativ schnell eine hohe Einkommenssteuer nachzahlen.
Dann kommt die „doppelte Watschen“ [Ohrfeige] und darauf sollte man vorbereitet sein!
Auch wenn man einen Betrieb übernimmt, wird die Steuerschuld an der eigenen Person und nicht am Betrieb berechnet. Man beginnt also auch hier bei Null. Man wird also die ersten ein-, zwei Jahre sehr niedrig eingestuft, und dann kommt einerseits eine Einkommenssteuernachzahlung für das, was erwirtschaftet wurde, und andererseits auch gleich eine höhere Vorauszahlung. Dasselbe gilt für die Sozialversicherung. Entweder sollte man also Geld beiseitelegen oder sich bei Sozialversicherung und Finanzamt melden und vereinbaren, dass man von Anfang an mehr vorauszahlt. Das wäre der eine Themenkomplex.
Der andere ist die Registrierkasse, damit alle Bareinnahmen korrekt aufgezeichnet werden. Es ist weniger tragisch, wenn ich mal eine Ausgangsrechnung verliere oder etwas nicht rechtzeitig erledige, aber wenn die Aufzeichnungen der Einnahmen nicht stimmen, dann hat die Finanz durchaus die Möglichkeit, mit härteren Strafen gegen einen vorzugehen und Schätzungen vorzunehmen.
Von Anfang an eine Registrierkasse benutzen, immer das Backup und den Jahresbeleg machen.
[Anm.: Das erledigen wir für unsere KundInnen mit aktiver appointmed Registrierkasse automatisch. Backups und Jahresbelege werden fristgerecht erstellt.]
Der dritte Stolperstein sind die Scheinselbstständigen. Wenn zB eine Studentin für einen die Office-Tätigkeiten verrichtet oder eine Putzkraft für einen arbeitet, dann sind das Angestellte und keine Selbstständige, auch wenn sie über Honorarnoten abrechnen. Im Zuge einer Prüfung würde das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht akzeptiert werden, was dann wiederum Nachzahlungen auslösen kann.
Patrik: Bezüglich der Nachzahlungen kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Es dauert recht lange, bis man da als neuer Selbstständiger den Durchblick hat. Mir wurde damals auch geraten, mir in den ersten beiden Jahren die Hälfte der Einnahmen auf die Seite zu legen, damit ich auf der sicheren Seite bin. Bei manchen führen diese Nach- und Vorauszahlungen im dritten Jahr dann im schlimmsten Fall zur Firmenpleite. Auch das Thema Registrierkasse hören wir immer wieder. Daher der Vollständigkeit halber:
Ab wann ist man zur Führung einer Registrierkasse verpflichtet?
[Anm.: Hier wird ausschließlich über die österreichische Registrierkasse gesprochen.]
Karl: Ab 15.000 € Gesamtumsatz im Kalenderjahr – davon ab 7.500 € Barzahlungen – ist man zur Führung einer Registrierkasse verpflichtet. Wobei Zahlungen mit Kredit- oder Bankomatkarte [EC-Karte] auch als Barzahlungen gelten.
Patrik: Das Einzige, wo man davon befreit ist, sind also Überweisungen?
Karl: Genau, wenn ich auf Rechnung arbeite, die überwiesen wird, dann fällt das nicht hinein. Es ist natürlich mit drinnen bei der Grenze von 15.000 € Gesamtumsatz, aber eben nicht bei den Bargeldleistungen.
Patrik: Heißt das, wenn ich alles auf Rechnung mache und auf Bar- und Kartenzahlung komplett verzichte, brauche ich auch keine Registrierkasse?
Karl: Richtig, denn da bin ich unter den 7.000 € Bargeldzahlungen. Ich kann eine Million Umsatz machen, aber wenn ich keine Barumsätze habe, dann brauche ich die Registrierkasse nicht.
Patrik: Damit kommen wir zum nächsten Thema: Dem Jahresabschluss. Wenn eure KundInnen nun alle Informationen, die Belege der Registrierkasse etc. gesammelt haben; Wie schicken sie euch diese Unterlagen?
Erfolgt der Datenaustausch mit SteuerberaterInnen mittlerweile digital?
Karl: Richtig, dass Leute noch Papierbelege aufheben, kommt eher selten vor. Es empfiehlt sich auf jeden Fall, seine LieferantInnen darum zu bitten, die Rechnung per E-Mail als PDF und auch mit der Post zu schicken. Die Belege, die man nur in Papierform hat, sollte man gleich einscannen. Dazu ein Tipp am Rande: Um sich hier Arbeit zu sparen, ist es empfehlenswert, Dinge des täglichen Bedarfs einmal im Monat gesammelt einzukaufen, um die Beleganzahl überschaubar zu halten. Das erleichtert einem selbst und dem Buchhalter das Leben.
Wenn man umsatzsteuerbefreit ist, ist während des Jahres nicht viel zu tun. Da reicht es, wenn man einmal im Jahr alles zusammenfasst und eine Steuererklärung daraus macht. Es ist dann auch nicht unbedingt notwendig, eine Schnittstelle zum Steuerberater zu haben. Wenn man hingegen die Buchhaltung laufend beim Steuerberater macht und Meldeverpflichtungen hat, dann würde ich eine Schnittstelle zum Steuerberater empfehlen. Dabei handelt es sich in der Regel um eine Plattform, wo man die Belege hochlädt, mittels derer die/der SteuerberaterIn dann quartalsweise die Steuererklärung und am Ende des Jahres den Jahresabschluss machen kann.
Wichtig ist auch, sich vor dem Jahresabschluss ein Bild über die eigenen Einnahmen zu machen.
Diese sollte man dann mit dem Steuerberater durchgehen, um zu sehen, wo man bis zum Jahresende noch optimieren kann oder Investitionsbegünstigungen in Anspruch nehmen kann.
Patrik: Das habe ich von Dir gelernt und gebe ich als Tipp auch gerne weiter: Ende Oktober, Anfang November mit der/dem SteuerberaterIn zusammensetzen, auf die letzten zehn Monate zurückblicken und dann in den zwei verbleibenden Monaten versuchen, das Maximum herauszuholen.
Karl: Genau, das betrifft auch den Punkt der Nachzahlungen. So habe ich hierfür einen Reminder, um mich darauf vorzubereiten, dass etwaige Zahlungen im neuen Jahr auf mich zukommen. Vielleicht möchte ich diese schon vorab zahlen, damit das Thema erledigt ist.
Haben TherapeutInnen einen hohen Beratungsbedarf?
Karl: Ich würde sagen, eher nein. Da viele TherapeutInnen umsatzsteuerbefreit sind, muss man das aus steuerlicher Sicht am Anfang einmal richtig aufsetzen, alle kritischen Fragen klären, und dann braucht man nur noch am Jahresende den Jahresabschluss zu machen.
Manchmal ist es auch so, dass die TherapeutInnen nur in einer Teilselbstständigkeit sind und zusätzlich auch noch in einem Angestelltenverhältnis arbeiten. Dann ist das ein Sammelsurium an Einnahmequellen, das einer höheren Aufmerksamkeit bedarf. Mehr Beratungsbedarf gibt es auch bei Gemeinschaftspraxen.
Du hast vorhin bei der Registrierkasse auch mögliche Strafen erwähnt. Was ist in diesem Zusammenhang der Worst-Case?
Der größte Schwachpunkt ist tatsächlich die Registrierkasse bzw. der/diejenige, die/der sie bedient oder eben nicht bedient.
Karl: Wenn bei der Erfassung der Registrierkasse etwas schiefläuft oder der Eindruck entsteht, dass ungenau erfasst wurde, dann würde die Finanz eine Einschätzung darüber machen, von wie vielen PatientInnen Du im relevanten Zeitraum besucht wurdest und mit welchem Umsatz Du gearbeitet hast. Hinzu kommt wahrscheinlich noch ein Aufschlag von rund 10 %. Das ist wohl das Schlimmste, was einem passieren kann, und man hat auch kaum eine Handhabe, dem zu widersprechen.
Abgesehen davon gibt es das Thema Scheinselbstständigkeit, das ich davor auch schon erwähnt habe. Da gibt es oft empfindliche Strafen.
Patrik: Würde in so einem Fall eine Selbstanzeige beim Finanzamt weiterhelfen?
Karl: Für die beiden Fälle, die ich gerade angesprochen habe, wird es mit einer Selbstanzeige schwierig. Wenn ich eine Aufzeichnung nicht gemacht habe und diese nicht über ein Bankkonto lief, wo ich es nachvollziehen kann, dann werde ich mir auch schwer tun, diese aus meiner Erinnerung zu rekonstruieren. Man kann vielleicht durch eine Selbstanzeige eine Finanzstrafe abwenden, aber die Einschätzung inklusive des 10 % Aufschlags bekommt man trotzdem.
Das Gleiche gilt für Dienstnehmer in Scheinselbstständigkeit. Da handelt es sich nicht um Finanzstrafen, sondern um Verwaltungsstrafen, die recht empfindlich sind und auch bei Selbstanzeige anfallen.
Patrik: Ich finde das Steuerthema wahnsinnig komplex und habe Dir in den letzten Jahren sicher Tausende Fragen dazu gestellt.
Worauf kommt es Deiner Meinung nach bei der Steuerberatung an?
Karl: Um SteuerberaterIn zu werden, muss man einen steinigen Weg gehen. Es sind ein akademisches Studium, Praxisjahre und die Absolvierung einer schweren Prüfung notwendig. Wenn man also zu einer/einem SteuerberaterIn geht – nicht zu einer/einem Buch- oder BilanzbuchhalterIn – dann hat man bereits eine gewisse Qualitätssicherheit.
Auch wenn man alles telefonisch oder digital klären kann, würde ich eine/einen SteuerberaterIn in der Nähe empfehlen, da man gerade heikle Themen besser persönlich bespricht. Wenn man als EinzelunternehmerIn zu einer großen Kanzlei geht, kommt es vor, dass man aufgrund größerer, „wichtigerer“ KundenInnen mit seinen Themen auf der Strecke bleibt, da diese Kanzleien oftmals sehr ausgelastet sind.
Welchen Tipp würdest Du TherapeutInnen in Bezug auf Steuern allgemein geben?
Ich würde ein bisschen mehr Gelassenheit empfehlen.
Karl: Weder in Österreich noch in Deutschland braucht man als TherapeutIn Angst vor der Finanz zu haben. Wenn man organisiert ist und ordentlich arbeitet, dann funktioniert das schon.
Diese Geschichten, in denen man teilweise hört, dass die Finanz jemanden komplett ruiniert hat, würde ich mit Vorsicht genießen. Meistens gibt es da noch etwas im Hintergrund, das nicht weitererzählt wird.
Ein Punkt, den wir noch nicht detaillierter besprochen haben, ist das Thema Anmietung von Räumlichkeiten. Wenn ich als TherapeutIn oder KleinunternehmerIn umsatzsteuerbefreit bin und Räume anmiete, dann müssen diese vom Vermieter umsatzsteuerfrei an mich vermietet werden. Das wird oftmals übersehen, und wenn die/der TherapeutIn nicht daran denkt und die/der VermieterIn auch einfach einen Vertragsentwurf nimmt, den sie/er immer nimmt, dann kann das zum Stolperstein werden.
Wenn die/der VermieterIn dann bemerkt, dass die Steuer verrechnet wurde, obwohl sie/er das nicht durfte, kann es zu Nachforderungen kommen. Es handelt sich dabei um ein zivilrechtliches Thema, da man ja die/den VermieterIn schadlos halten sollte.
Am besten ist es also, gleich nach Räumlichkeiten zu suchen, die auch umsatzsteuerfrei vermietet werden können.
Patrik: Vielen Dank für den Tipp. Darüber wusste ich selbst auch noch nicht Bescheid. Abschließend:
Wo kann man mehr über Deine Steuerberatungskanzlei erfahren?
Karl: Auf unserer Website tax360.at finden sich alle Kontaktdaten und Erstgespräche sind in der Regel kostenlos. Zudem versenden wir einen Newsletter und sind auch auf LinkedIn und Facebook vertreten.
Noch ein Tipp: Bei Fragen können sich TherapeutInnen auch bei der eigenen Berufsvereinigung informieren. Das sind gute Anlaufstellen, die genau wissen, wie der Hase in diesem Bereich läuft.