Kapitel 3: Ein eigener Raum oder eine Gemeinschaftspraxis? Wer soll in meine Physio Praxis kommen?
Liebe appointmed Gemeinde! Herzlich Willkommen zurück in meinem „Blog-Tagebuch“. Der Entschluss zur Selbständigkeit ist inzwischen gefallen und die behördlichen Wege sind gemeistert. Wir bewegen uns mit Riesenschritten in Richtung Arbeitsalltag als selbständige/r Physiotherapeut/in. Wie geht es nun weiter?
Heute möchte ich euch eine persönliche Anekdote zu meinem Werdegang zum Atem-Physiohtherapeuten erzählen. Außerdem werfen wir einen praxisrelevanten Blick auf Gemeinschaftspraxen und eine eigene Praxis.
Bildet euch am Ende dieses Artikels Eure eigene Meinung zu:
- Der Wahl der “richtigen” Fachrichtung
- Die Vorteilen einer Gemeinschaftspraxis
- Eine eigene Praxis
Eine (richtige) Fachrichtung wählen?!
Hand aufs Herz – an und für sich wäre es schon ganz gut, bereits in der Ausbildung zu wissen, in welche (Fach-) Richtung es in etwa gehen soll. Allerdings, ist das oft einfacher gesagt als getan und es kommt ganz anders als man denkt.
Während des Studiums, wäre ich der Letzte gewesen, mich im Fachbereich „Innere Medizin“ bzw. „Atemphysiotherapie“ zu sehen. Ich war der naiven Überzeugung, dass sich „richtige“ Physiotherapie dadurch auszeichnet, sportliche Hoffnungsträger Österreichs zu therapieren und zu Spitzenleistungen zurückzubringen. Es geht ums Behandeln gerissener Bänder, gesplitteter Knochen, ersetzter Gelenke, Wirbelsäulentraumen oder zumindest spannende neurologische Erkrankungen – DAS ist Physiotherapie! Dann stehe ich mitten im Studium und lerne … „atmen“?!?
Jetzt sitze ich vor meinem PC und schreibe über meine Arbeit als Physiotherapeut. Pardon, als Atem-Physiotherapeut und dazu noch als Atemphysiotherapeut in eigener Praxis. Wie bitte?
“Schuld” daran war eigentlich ein Praktikum während des Studiums, wo ich die innere Medizin schlussendlich doch für mich entdeckte. Natürlich liebe ich auch orthopädische Herausforderungen und begeistere mich für die Traumatologie und Chirurgie (Anm.: Ich befinde mich gerade in der Ausbildung zum ESP Sportphysiotherapeuten). Sie stellen für mich eine willkommene Abwechslung dar. Derzeit liegen meine Stärken aber mit Sicherheit in der Atemphysiotherapie sowie bei Erkrankungen des kardiorespiratorischen Systems.
Somit steht für mich fest, welches Patientengut ich derzeit in meiner Praxis begrüßen möchte. Als einer der wenigen Atemphysiotherapeuten in meiner Gegend, habe ich mich deshalb auf oben genanntes Gebiet spezialisiert. Vorerst.
Die Wahl der Fachrichtung soll im Einklang mit den eigenen Stärken stehen. Ein Wechsel der Spezialisierung im Laufe der Zeit ist absolut kein Thema. Man sollte alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und sich nicht von stereotypischen Berufsbildern einschränken lassen.
Gemeinschaftspraxis oder doch die eigenen vier Praxiswände?
Wie wohl bei den meisten Dingen, Situationen oder Ereignissen, hat die Medaille immer zwei Seiten. Das macht auch bei der Wahl der geeigneten Praxisform keinen Halt.
Die Gemeinschaftspraxis
Die Vorteile der Gemeinschaftspraxis liegen grundsätzlich auf der Hand: Interdisziplinärer (Anm.: zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen zB Ärzte, Logopäden, Ergotherapeuten, Masseure, Psychologen etc.) und intradisziplinärer (Anm.: innerhalb der eigenen Berufsgruppe) Austausch mit allen in der Praxis tätigen Berufsgruppen.
Steh’ ich also als Physiotherapeut einmal mit meiner Therapie an, so gibt es gute Inputs aus anderen Bereichen oder von anderen Kolleg/innen innerhalb der Praxis.
„Man entwickelt sich durch kontinuierlichen Wissens- und Erfahrungsaustausch ständig weiter.“
Weitere Vorteile für Gemeinschaftspraxen sind:
- ein großer Patientenstock,
- ein multidimensionales Behandlungsfeld, wo Patient/innen alle medizinischen Versorgungsfelder unter einem Dach finden,
- ein „Teamgefühl“ – das Du an schlechten Tagen (und ganz ehrlich, die gibt’s!) sicher zu nutzen weißt, und dankbar bist, dass Dich Deine Kolleg/innen aufmuntern.
Wenn die Praxis groß genug ist und es sogar jemanden gibt, der oder die sich um organisatorische und administrative Angelegenheiten (Terminvereinbarung, Abrechnung, E-Mails, Kontakt zu GKKs etc.) kümmert, dann fällt ein weiterer, zeitlich aufwendiger Brocken weg.
Gemeinschaftspraxen finden sich in unterschiedlichster Ausführung. Hier jede einzelne aufzuzählen, wäre aus zeitlichen und platztechnischen Gründen weder möglich noch sinnvoll.
Die eigene Praxis
Den Austausch mit KollegInnen vermisst man schon, wenn man alleine (so wie ich) in einer eigenen Praxis arbeitet. Die Lese- und Recherchearbeit summiert sich und stellt eine Herausforderung dar. Man muss sich seine Ideen, bzw. Antworten aus wissenschaftlichen Artikeln, im Internet, aus Fachbüchern oder -zeitschriften besorgen. Ich erfahre dies zurzeit am eigenen Leibe. Beispielsweise bekommt man Zuweisungen mit Krankheitsbildern, die es nicht einmal in die Nähe mancher Vorlesungssäle geschafft haben. Du bist also gefordert, Dich entsprechend zu informieren und nachzuforschen – ein immenser und zeitraubender Aufwand.
“Mein persönlicher Tipp ist: Geht hinaus, sprecht mit euren Physiokolleg/innen und macht euch selbst ein Bild, ob ihr ein Teamplayer seid, oder doch lieber alleine arbeitet.”
Allerdings bietet eine eigene Praxis Möglichkeiten und Erfahrungen, die eine Praxisgemeinschaft nicht bieten kann. Es ist ein wahrlich einzigartiges Gefühl, wenn ich meine Praxis betrete:
- Raum und Arbeitsweise sind nach meinen eigenen Vorstellungen gestaltet.
- Meine Patient/innen sind tatsächlich meine Patient/innen. Ich begleite sie vom ersten Telefonkontakt bis zum Abschluss der Therapie – und zwar persönlich.
- Ich lerne wertvolle „kaufmännische“ Fähigkeiten, wenn ich mich selber um Abrechnungen und Rückvergütungen kümmere.
- Ich genieße komplette Freiheit in der Terminverwaltung. Ich bin Herr über meine (Arbeits)zeit. Patient/innen teile ich mir wirklich selbst, nach meinen Umständen ein. Ich muss mich nicht nach Vorgaben einer externen Terminplanung richten.
Dennoch sind für mich sowohl Gemeinschaftspraxen als auch eigenständig geführte Physiopraxen gleichermaßen wertvoll. Eines darf man nämlich nicht vergessen:
„Im Vordergrund sollte immer der/die Patient/in stehen.“
Egal durch welche Tür unsere Klienten gehen, sie sollen diese mit einem guten Gefühl und einer erfolgreichen Therapie wieder hinter sich schließen können.
Ausblick
Bevor sich die Tür eurer Praxis das erste Mal für eure Patient/innen öffnet, stellt sich noch folgende Frage: Was kostet mich mein Unternehmen? Die Antwort darauf versuche ich euch beim nächsten Mal zu geben.
Bis dahin eine sonnige Zeit und vielen Dank für’s Durchlesen.
Euer Clemens
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